Kalkuttas Stadtteil Sonagachi, Fotodokumente von Architektur und Lebensart, vierter Teil
Wir durchstreifen den Stadtteil Sonagachi in Kalkutta.

Das Zusammenwirken verfallbegünstigender Faktoren (in der Hauptsache Wetter und Smog) führt in Kalkutta zu einer hohen Dichte fotogener Oberflächen, Gegenstände und Szenen.
Auffallend ist an allen Häusern, dass viele Fenster bis zur oberste Etage vergittert sind. Dies dient vor allem dem Schutz vor Vögeln.
Südliches Klima und gutes Nahrungsangebot haben zur Folge, dass es in Calcutta mehr Vögel gibt, als in mitteleuropäischen Städten.
Die Artenvielfalt ist ausgeprägter, viele Vögel neigen dazu in Innenräume zu fliegen, um dort nach Nahrung zu suchen.
Das Thema der "Vergitterung" wird in Kalkutta immer wieder breit diskutiert.
Es ist Gegenstand von Presseberichten, behördlichen Entscheidungen und juristischer Auseinandersetzungen.
Es gibt die Meinung, Tür- und Fenstergitter wären eine Tradition, die wegen der Vögel sowie der Gefahr von Affen-Plagen unerlässlich ist und führt niedrige statistische Werte in Bezug auf Einbruchdiebstahl auf die Gitter zurück.
Sie würden den Sonnenschutz begünstigen und wären in beengten Verhältnissen notwendig, um Wäsche darauf zu trocknen.
Die andere Meinung sagt, obwohl die Gitter oft schön und farbenfroh gestaltet sind, würde das Stadtbild den Eindruck eines Gefängnisses vermitteln.
Die Stadtverwaltung möchte die Anzahl der Handy-Masten reduzieren, aber das viele Metall schwäche die Funksignale in Innenräumen empfindlich.
Und im Brandfall wäre keine adäquate Hilfe durch die Feuerwehr möglich.
Außerdem sei die Kriminalitätsrate in Kalkutta allgemein gering, daher bestünde kein Grund für die Gitter.
Dass es ist Kalkutta oft nur eingeschränkte Möglichkeiten gibt, Wäsche zu trocknen, zeigt sich auch in Sonagachi.
Vielerorts sind Wäscheleinen an Hauswände gespannt, denn Platz
um Textilien in der Wohnung zu trocknen, ist selten vorhanden.
Die Bevölkerungsdichte ist etwa zehnmal so hoch wie in Köln.
In der Regel wird ein Zimmer von mehreren Personen bewohnt, für einen Wäscheständer ist dort kein Platz.
Augenfällig ist, dass viele Kinder und Jugendliche in den Straßen unterwegs sind, sie verbringen ihre Freizeit oft draußen.
Drei Jugendliche auf einem Roller zeigen Interesse an mir.
Sie sind schüchtern, fahren mehrfach an mir vorbei, ehe sie mich ansprechen.
Ich werde nach Namen und Herkunftsland gefragt.
Meine Antwort "Germany" ruft große Freude hervor.
"BMW, Mercedes, Audi, Porsche" sprudelt es aus ihnen hervor und schnell fallen die Namen bekannter deutscher Fußballspieler: "Thomas Müller, Özil, Ballack, Hummels".
"Germany is a Dreamland" höre ich und kann dieses Lob nur zurückgeben, weise als Beispiel begeistert auf einen wundervollen Pfau.
Er besteht aus Holz und Stroh, die mit Gibs ummantelt sind und anschließend kunstvoll bemalt wurden.
Handwerker und Maler haben tagelang an dem Objekt gearbeitet, seine "Lebensdauer" ist dennoch nur kurz.
Vermutlich wird die Figur schon bald im Rahmen von Feierlichkeiten, mit Blumen geschmückt in den nahe verlaufenden Fluss "Ganges" geschoben.
Da entdecke ich eine Feuerwehrstation und bitte einen der Feuerwehrmänner um die Erlaubnis, Fotos zu machen.
Er führt mich herum und erklärt, die Feuerwehr hätte hier, wie überall in Kalkutta, großen Rückhalt unter den Menschen.
Zeitgleich beklagt er die Oberflächlichkeit dieses Wohlwollens und ist der Meinung, es gäbe zu wenig Bewusstsein für Risiken.
Brände würden zum Glück meist schnell entdeckt und gemeldet.
Wenn die Feuerwehr eintreffe, wäre schon eine große Anzahl von Menschen mit der Brandbekämpfung beschäftigt.
Aber die Straßen wären nur langsam zu durchfahren.
Prozessionen, Feste, Paraden und Trauerzüge würden die Straßen ebenso häufig verstopfen, wie dichter Verkehr.
Zudem seien oft ganze Reihen ungenehmigter Marktstände aufgestellt.
Auch die Tradition, auf Straßen Bambusgestelle zu errichten und für Festlichkeiten zu schmücken, behindere Rettungswege.
Vergitterte Fenster wären ein Hindernis bei der Bergung Eingeschlossener.
Den Umstand, dass auch an den Gebäuden dieser Feuerwehrstation viele Fenster bis hoch hinauf vergittert sind, hinterfrage ich nicht.
Hier ist der Link zum fünften Teil dieses Blogs über Lebensart in Kalkutta: