Ich beschließe auch den Dachboden des Hauses zu erkunden, vermute dort weitere alte Möbel und antike Einrichtungsgegenstände zu finden.
Lost Places und antike Möbel in Kalkutta
Wir sind auf einem der zentralen Plätze in Esplanade, einem Stadtteil im Herzen der Megacity Kalkutta unterwegs.
Millionen Menschen und Fahrzeuge queren diesen Platz jeden Tag.
Hier stehen einige der interessantesten und schönsten Gebäude Südasiens.
Meist blicken sie dabei auf eine lange Historie zurück und werden noch in ihrer ursprünglichen Funktion genutzt.
Ein typisches Beispiel gibt die 1848 erbaute Tipu Sultan Moschee.
Sie ist ein weltweites Leuchtfeuer islamischer Architektur.
Einige Schritte weiter befindet sich das 1934 von Goldwyn-Mayer-Filmstudio erbaute Metro-Kino.
Kalkutta war zu dieser Zeit die wichtigste Stadt auf dem Subkontinent und namhafte Architekten aus aller Welt errichteten hier spektakuläre Bauten.

Doch es ist auffallend, dass hier wie nahezu überall in Kalkutta, viele Gebäude ungenutzt sind.
Trotz der Tatsache, dass Kalkutta zu den Städten mit der weltweit höchsten Bevölkerungsdichte zählt, gibt es zahlreiche leerstehende Gebäude, und "Lost Places" lassen sich in allen Vierteln finden.
Nahe des großen Platzes steht ein Hochhaus, das seit längerer Zeit immer wieder mein Interesse weckt.
Das Gebäude verkörpert die Architektur der Sozialistischen Moderne in vollendeter Form.
Es stammt vermutlich aus den 1960er Jahren. Würde man auf dem Gerüst das oberhalb der Fassade einen großen roten Stern anbringen, hätte es ebenso im alten Moskau oder Ostberlin stehen können.
Heute habe ich Gelegenheit, das Gebäude endlich einmal genauer zu erkunden.
Der Zugang zur Vorderseite des Gebäudes ist durch eine große Ruine versperrt, so kann man sich dem Haus nur von der Rückseite annähern.
Auf dem Hof parken einige Fahrzeuge und es sind vereinzelt Menschen zu sehen, das Gebäude selbst jedoch liegt still und verlassen.
Im Parterre hängen Briefkästen und endlich finde ich auch einen Hinweis auf die Bedeutung des Baues.
Auf einem Schild ist der Name des Haues geschrieben: "The Raneegunge Coal House."
In der Nähe von Kalkutta ist das Raniganj-Kohlefeld.
Bereits in den 1770er Jahren begann die British East India Company dort Steinkohle abzubauen.
War dies ein Verwaltungsgebäude des dortigen Bergbaues?
Auch das Treppenhaus liegt stumm und menschenleer.
Hier offenbaren sich eine ganze Reihe von charakterstarken Fotomotiven.
Unwirklich, fast wie gemalt oder aus einem Computerspiel wirkt die Szenerie.
In der dritten Etage beschließe ich, das Stockwerk näher zu erkunden.
Hell und kraftvoll dringt Licht durch große Fenster in die verlassenen Räume.
Hier sind alte Büromöbel aus Metall zu finden.
Besonders gefällt mir dieser alte eiserne Klappenschrank mit schönen Beschriftungsfeldern und gerundeten Henkel-Griffen.
In großen Metallschränken türmen sich Aktenordner und Papier.
Wenige Meter weiter treffe ich auf weitere Insignien klassischer Büro- und Fabrikkultur. Schöne alte Industrielampen sind hier zu finden. Sie sind grün und weiß emailliert.
Ich erreiche die achte Etage und erkunde auch diese genauer.
Hier steht eine lange Reihe alter Schreibtische. Sie sind älter als das Gebäude selbst, stammen aus den 1930er/40er Jahren.
Ich öffne einen großen schwarzen Aktenschrank und stöbere ein wenig darin.
Auf diese Weise hoffe ich herauszufinden, wann das Gebäude in seiner Blüte stand.
Die meisten Papiere stammen aus den 1970er Jahren.
Hinter einer Tür liegt ein ehemaliger Konferenzraum.
Hier steht eine Gruppe alter Bürostühle.
Sie sind fast alle mit klassischem Wiener Geflecht versehen.
Das Wiener Geflecht ist in Indien ebenso wie in ganz Südostasien weit verbreitet und viel öfter zu finden als in Europa.
An der Wand stehen große alte Vitrinen-Schränke. Auch sie scheinen älter zu sein, als das Gebäude selbst.
Die Vitrinen bieten, wie viele Möbel die hier zu finden sind, genug Substanz um restauriert zu werden, um als wundervolle Antiquitäten weitere 50 oder 100 Jahre ihren Dienst zu verrichten.
Sie bestehen aus Teakholz. Dieses ist von Härte, Langlebigkeit und Qualität mit dem europäischen Eichen- oder Buchenholz vergleichbar.
Auf dem Weg fallen mir einige dicke Kabel auf. Sie machen den Eindruck, als wären sie noch in Benutzung.
Und tatsächlich: die Tür zum Dachboden ist mit einem Vorhängeschloss gesichert.
Durch die alten staubigen Fenster bieten sich großartige Bilder der Stadt.
Hier der Blick auf das ehemalige Kaufhaus Whiteway Laidlaw, das international unter dem Begriff "Metropolitan Building (Kolkata)" berühmt ist und zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtet wurde.
Obwohl seine Fassade restauriert wurde, scheint es in weiten Teilen leer zu stehen.
Hier wird eine weitere typische Eigenheit Kalkuttas sichtbar.
Viele Gebäude sind mit gepflegten, üppig bewachsenen Dachgärten versehen.
Weit oben, über den Dächern der Stadt ist die Luft angenehmer. Es ist weniger Lärm und Bewegung und stets weht ein leichter Wind.
Mit einem Blick über den roten lang gestreckten Gebäudekomplex des Neuen Marktes (New Market) endet dieser Blogbeitrag.
Dieser Blog über Kalkutta wird in kommender Zeit an dieser Stelle fortgesetzt.