Sonagachi in Kalkutta, Architektur, Lebensräume und Stadtbilder. dritter Teil.
Wir bewegen uns langsam durch den Stadtteil Sonagachi in Kalkutta.
Dieses Geschäft ist auf den Handel mit Petroleum spezialisiert.
In kleinen, haushaltsüblichen Mengen wird das Öl hier bereitgehalten, die Bewohner der Gegend nutzen es unter anderem, um damit zu kochen.
Nach Angaben des handgemalten Firmenschildes verfügt das Geschäft nicht über die erforderliche Lizenz zum Handel mit Petroleum, obwohl dies der Zweck des Betriebes ist.
Solche Widersprüche sind in Kalkutta häufig.
Einerseits besteht der Betrieb seit Jahren, andererseits vermittelt die fehlende Lizenzierung den Eindruck, er wäre nicht legal.
Das Firmenschild gibt Hinweis auf die Regierung von West Bengal, das ist der Bundesstaat, in dem Kalkutta liegt.
Dies ist wichtig, denn Mineralöle werden besonders besteuert.
Ohne Lizenznummer fehlt allerdings die Grundlage dafür.
Solche Diskrepanzen zu verstehen, ist für Außenstehende schwierig.
Erkundigungen führen vermutlich dazu, dass es verschiedene Meinungen gibt.
Der Besitzer wird erklären, sein Shop ist legal. Feuerwehr und Polizei wären bestimmt der Ansicht, der Laden sei illegal.
Für Lizenzierung und Steuererhebung hingegen sind mehrere Behörden zuständig, deren Auffassung über die Rechtmäßigkeit des Betriebes weit auseinander gehen können.
Flüssigkeiten in Mengen von 1 bis zu 20 Liter, egal ob nun Öle, oder zum Bespiel Milch, werden oft per Fahrrad in Kannen und Gefäßen aus Metall transportiert.
Das Geschäft im folgenden Bild ist mit "Jagdamba Traders" bezeichnet.
Mit dem Begriff "Jagdamba" sind viele, sehr unterschiedliche Geschäfte und Betriebe in Kalkutta versehen.
Eine verbreitete hinduistische Gottheit ist namensgebend und gilt als schützende Förderin.
Der alte Charme, welcher den Stadtbezirk Sonagachi umgibt, sorgt für reichlich historisches Flair und erzeugt expressive Fotomotive.
Das faszinierend-morbide Flair, welchen dieses alte Ladenfenster umgibt, ließe vermuten, dass hier schon länger keine Coca Cola mehr verkauft wird.
Auch diese Schneiderei (Amiya Tailors) scheint schon länger geschlossen zu sein.
Doch solche Eindrücke täuschen häufig.
Schon oft habe ich in Kalkutta die Erfahrung gemacht, dass vermeintlich dauerhaft geschlossene Geschäfte doch wieder öffnen und von regem Zulauf geprägt sind.
Die Etagen oberhalb der Schneiderei sind jedenfalls bewohnt.
Ein im Fenster zum Trocknen aufgehangenes Tuch legt dies ebenso nahe, wie Kinderstimmen, die herunterklingen.
Vieles im Stadtviertel Sonagachi (Kalkutta) wirkt wie ein kraftvolles Fest der Farben und Formen.
Das hyperintensive Wesen der Stadt äußert sich in vielen Details.
Fassaden bilden Motivgruppen, die sich von verschiedenen Perspektiven und Entfernungen ideal fotografieren lassen.
Daraus entstehen oft interessante Aufnahmen.
Alte Türen und Portale sind ebenso wundervolle Motive wie die handgemalten Schilder, Hauseingänge oder Fenster.
Die Aufnahmen verkörpern den Begriff des klassischen Shabby Look in sehr individueller Form.
Doch der Eindruck von Abgelebtheit und Marodität täuscht.
Vieles wird mit Liebe zum Detail erhalten und gepflegt, es vergeht nur sehr rasch.
Mehrere Faktoren beeinflussen das schnelle Welken und Verschmutzen von Häusern und Fassaden.
Der wichtigste Einflussfaktor ist die klimatische Veränderungen in jährlicher Wiederkehr.
Im Sommer wird es sehr heiß, Temperaturen von über 40 Grad sind die Regel.
Die Stadt heizt sich dann so auf, dass Farbe von den Wänden blättert und Oberflächen stumpf werden oder ausbleichen.
Anschließend kommt eine mehrmonatige Phase langer und intensiver Regenfälle, in der es dennoch sehr warm ist.
Dies führt zu enormer Schimmelbildung, welche Holz rasch durchdringt und Fassaden befällt.
Dazu herrscht in Kalkutta nahezu ganzjährig hohe Luftfeuchtigkeit.
Metall rostet schnell und sogar Aluminium neigt in dieser Umgebung zu Korrosion.
Daher sind oft Gerüste aus Bambusstäben zu sehen, auf denen Maler ihrem Handwerk nachgehen und die Fassaden liebevoll und detailreich gestalten.
Dabei arbeiten sie meist mit äußerst intensiven Farben.
Die Ergebnisse ihrer Arbeit sind jedoch bereits nach einigen Monaten wieder von Schimmel und Auswaschungen angegriffen.
Auch die Smog-Belastung (Kalkutta gehört zu den Städten mit der weltweit höchsten Luftverschmutzung) entfaltet rasch wieder ihre Wirkung, Staub setzt sich überall ab.
Hinzu kommt eine Vielzahl von Vögeln.
In dem südlichen Klima haben sie ideale Lebensbedingungen und verschmutzen mit ihren Exkrementen Wände sowie darauf befindliche Absätze und Stufungen.
Die meisten Oberflächen sind traditionell gestaltet.
Daneben gibt es avantgardistisch orientierte Hausbesitzer, die ihre Fassaden durch Künstler gestalten lassen, welche die äußeren Formen der Häuser mit großflächigen Motiven durchbrechen.
Meist sind sie von einer vielschichtigen Metaphorik gekennzeichnet.
Weiter geht die Fotoreportage aus Kalkutta (Sonagachi)im fünften Teil über folgenden Link:
https://www.yesterday-industries.com/teil-4-sonagachi-in-kalkutta