Kalkutta, Burra Bazar, Stadtbilder am Ganges
Wir sind in Kalkuttas Stadtteil Burra Bazar, befinden uns Nahe der Howrah-Brücke und laufen am Flussufer in südlicher Richtung.
Auch hier auf der Uferstraße des Ganges stehen indische LKW in langen Reihen.
Viele Trucks sind vom Hersteller "Eicher".
Der Name ist deutschen Ursprungs. Ende der 1950er Jahre gründete ein bayerischer Traktoren-Hersteller mit indischen Importeuren die gemeinsame Firma: "Eicher Tractor Cooperation".
Später gab die deutsche Firma ihre Anteile auf. Der Name blieb erhalten und gehört heute zu den Marktstärksten in Indien.
Westlichen Herstellern fällt es schwer, sich auf dem indischen Markt zu etablieren.
So stieß ein Autobauer bei indischen Verbrauchern auf Verwirrung, weil die Hupen fabrikneuer PKW bereits nach wenigen Tagen nicht mehr funktionierten und auch alle Ersatzhupen des Konzerns rasch versagten.
In der europäischen Zentrale dämmerte nur langsam auf, dass Indien deutlich robustere Hupen benötigt.
Die entsandten Manager und Ingenieure hatten nicht berücksichtigt, dass indische Verbraucher das Horn täglich dutzende Male bemühen.
Ein anderer Produzent befand, die geteilten Frontscheiben der großen indischen LKW würden die Sicht behindern und brachte unter Jubel westlicher Medien schwere Laster mit durchgezogenem Frontglas an den hiesigen Markt.
In der indischen Presse wurden Zweifel an den einheimischen Herstellern laut. Warum hatten sie diese einfache Idee nicht selbst umgesetzt?
Doch Kundeninteresse war kaum vorhanden, die Vorteile der zweigeteilten Scheibe in Einheitsgröße überwogen.
Sie lassen sich selbst im letzten Winkel Indiens schnell beschaffen und ohne fremde Hilfe tauschen. Wegen Steinschlag durch viele unasphaltierte Straßen sind die Fahrer oft genug dazu gezwungen.

Wem nutzten da LKW mit großer gewölbter Scheibe, deren Ersatz das Vielfache kostete und nur vom Hersteller selbst zu beziehen war?
Erst nach vielen Straßenverbesserungen der letzten Jahre sind indische Hersteller dazu übergegangen neue Generationen großer LKW mit durchgezogenen Scheiben auszustatten.
Doch hier in Burrabazar überwiegen noch die alten Fahrzeuge.
Wie kaum ein anderer Ort Indiens ist die Stadt von Bildern althergebrachten Flairs erfüllt.
Kalkuttas vielfältige Kalligrafie ist ein Beispiel dafür. Überall finden sich schöne, handgeschriebener Schilder. Sie verbreiten dichtes historisches Flair und prägen auch diese Gegend.
Wir passieren einen der größeren Marktplätze in Burra Bazar.
Er bildet den Mittelpunkt des seit 1855 existierenden Mullick Ghat Flower Market.
Frische Blumen sind von zentraler Bedeutung in der Kultur Kalkuttas.
Daher ist der Markt an sieben Tagen in der Woche geöffnet.
Blumen bilden hier eine besondere Grundlage zur Ästhetisierung vieler Räume und Ereignisse, daher werden sie täglich in riesigen Mengen benötigt.
Für einen Augenblick verlassen wir die Uferstraße am Ganges, um ein rotes Backsteingebäude zu erkunden. Es bildet den Abschluss des Blumenmarktes in südlicher Richtung. Dafür überschreiten wir einen Bahnübergang.
Der Blick zurück erinnert an vergangene Zeiten.
Überall in Kalkutta lassen sich solche Bilder einfangen. Doch der Eindruck, die Stadt sei rückständig oder in Zeit stehen geblieben, täuscht.
Eher steht Altes und Neues gleichberechtigt nebeneinander.
Im Erdgeschoss des roten Backsteingebäudes residiert die Filiale eines Großhandels für Speiseöl: Ganesh Mustard Oil bzw. Prag Mills.
Der erste Eindruck ließe vermuten, das Geschäft bestünde schon hundert Jahre und ist möglicherweise schon lange nicht mehr am Markt. Nur noch einige alte Möbel und handgemalte Schilder wären zurück geblieben.
Auch das steinerne Firmenschild scheint vor Generationen hier angebracht worden zu sein. Doch die Inschrift ist erst einige Jahre alt.
Der Handel ist auf Wachstumskurs. Zahlungen werden auch hier überwiegend elektronisch abgewickelt, die Produkte sind in Onlineshops verfügbar und das Design der firmeneigenen Webseiten ist auf internationalem Niveau.
Wir haben nun ungefähr die Mitte von "Greater Kalkutta" erreicht.
Rings um diesen Punkt liegen mehrere Millionenstädte, die inzwischen zu einer Metropolregion verschmolzen sind.
Innerhalb weniger Jahrzehnte hat sich hier mit hoher Geschwindigkeit eine der größten Agglomerationen weltweit gebildet.
Hinter einigen Flussfähren liegt die Howrah-Brücke, sie gehört zu den längsten Stahlfachwerkbrücken der Welt.

Der Blick durch den Dunst in gegenläufiger Richtung eröffnet die Sicht auf eine weiteres Viadukt von gigantischen Ausmaßen, die Second Hooghly Bridge.
Das ikonische Bauwerk von über 800 Metern Länge wurde von dem deutschen Bauingenieur Jörg Schlaich konzipiert, er leitete auch die Arbeiten am Münchener Olympiastadion.
Die Second Hooghly Bridge wurde gebaut um die alte Stahlbrücke zu entlasten.
Doch sie konnte der Howrah-Brücke nicht den Ruf als verkehrsreichste Flusquerung der Welt nehmen, zu rasch wächst dieser Großraum.
Der Lärm der Stadt dringt nur gedämpft auf den Fluss. Die Ruhe lässt vergessen, dass sich täglich tausende Menschen neu in Greater Kalkutta niederlassen.
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