Begleiten Sie uns gern weiter in "Teil 5, Einkaufstour zu den Abwrackwerften von Alang (Indien)" über folgenden Link:
Teil 4: Einkaufstour zu den Abwrackwerften von Alang (Indien) Fabriklampen, Schubladenschränke, einfach ALLES von alten Schiffen.
Wir sind auf einer Einkaufstour alten Schiffsinteriors und Möbeln im Umkreis der Abwrackwerften von Alang.
Heute ist Sonntag und bevor wir uns wieder zu den Abwrackbetrieben begeben, statten wir der Presbyterianischen Kirche in Bhavnagar einen Besuch ab.
Obwohl reformierte Kirchen der Gegend auf eine 200-jährige Geschichte zurückblicken, sind sie in dieser besonders stark hinduistisch geprägten Region Indiens ein wenig isoliert.
Wir sind dankbar, dass wir voller Freude empfangen werden, und es findet sich Zeit für Austausch.
Natürlich fallen unsere Gespräche auch auf die Abwrackwerften von Alang, denn einige Gemeindemitglieder sind beruflich mit dem Schiffsabwracken befasst.
Sie arbeiten in behördlicher Anbindung, Verwaltung und Organisation der Werft oder an der Bhavnagar University.
Dort wird auch Alang- spezifisches beforscht und reflektiert.
Der Dialog verdichtet unser Bild über die Abwrackwerften und erschließt Informationen, die in diesen Blog einfließen.

Im Anschluss bekommen wir Gelegenheit, Porträts des Kirchengründers George Pritchard Taylor und des Architekten zu fotografieren.
Zurück auf der Straße, bewegen wir uns Richtung des nahe gelegenen Vibrant Industrial Park, in dem Schiffsschrott aus Alang verarbeitet wird. Je näher wir kommen, desto dichter wird der Verkehr.
Lange Reihen von LKW´s mit altem Schiffsstahl und Wrackteilen bilden einen ewigen Strom aus den weltweiten Hinterlassenschaften industrieller Schiffsfahrt, die von dem 50km entfernten Abwrackstand hierher gebracht werden.
Rechts und links des Weges türmen sich eiserne Kolosse und Gerätschaften. Der überwiegende Teil kommt von den Schiffen.

Wir halten an und betreten die Räume von Mister Devjani, einem Kaufmann, der sich auf den Handel mit Seewasserpumpen spezialisiert hat, aber auch weiteres technisches Gerät von den alten Schiffen anbietet.
Er erklärt, dass auf großen Schiffen eine Vielzahl von Ersatzteilen gelagert ist. So kann, falls während der Fahrt etwas kaputt geht, ein Schaden sofort repariert werden.
Wenn ein altes Schiff in Alang zur Verschrottung eintrifft, sind daher immer viele dieser Teile an Bord.
Diese neuen, original verpackten Ersatzteile sind oft teuer und gehören zu den wichtigsten Handelswaren im Bereich des Schiffsabwrackens.
Um ein Beispiel zu geben, öffnet er einen Karton der Firma "MAN Diesel SAS", zeigt ein ungebrauchtes Motorenteil.
"Hunderte Dollar" erläutert er "beträgt der Wert dieses Rings".
Dutzende sind in einem Schiffsmotor verbaut, werden daher in großer Anzahl an Bord als Ersatz mitgeführt.
Der weltweite Handel mit hochwertigen ungenutzten Ersatzteilen aus den alten Riesen ist eine zentrale Säule im Geschäftswesen um die Abwrackwerften von Alang.

Wir verlassen das Geschäft, die großen Schrottansammlungen auf der Straße erscheinen uns interessanter. In endlosen Reihen stehen sie entlang der Straße.

Einige, so ist unser Eindruck, stehen schon viele Jahre.
Sind sie herrenlos? Wir können sie fotografieren, anfassen und sogar an ihren Rädern drehen, ohne dass jemand Notiz von uns nimmt.
Erst als wir anfangen, für Schnappschüsse darauf herumzuklettern, stoppt ein Rikscha- Fahrer und bedeutet uns vorsichtig zu sein, weil Verletzungsgefahr bestünde.

Ein Stück weiter des Weges entdecken wir eine Maschine, die noch in Betrieb ist. Frischer Zuckerrohrsaft wird hier erzeugt.
Dicke Stangen werden gepresst, so der darin enthaltene Nektar gelöst und mit Zitronensaft versetzt, und direkt neben der Maschine zum Verkauf angeboten.
Nun fällt eine dicke Rolle aus Seilen und Holz in den Blick.
Bei näherer Betrachtung wird erkenntlich: es ist eine "Lotsenleiter", vielfach auch als "Strickleiter" bezeichnet.
Später sehen wir, dass sie zerschnitten wird.
Uns scheint sie dafür zu schade.
Die Seilstücken werden verbrannt, das Holz wird anderweitig weiterverwendet.

Wir erreichen den Bhavnagar Industrie Park, in dem dutzende Geschäfte Übriggebliebenes aus alten Ozeanriesen anbieten.
Restlos alles von den Schiffen wird geborgen und zum Verkauf angeboten.
Auch Bedrucktes ist davon nicht ausgenommen.
Die in den Büros und Kabinen der Schiffe gefundenen Papiere sind in spezialisierten Shops zu riesigen Bergen aufgetürmt.
Das Ziel der Verwertung scheint dem Datenschutz vorangestellt.

Auch alte Aktenordner und morbide Klemmbretter stehen zum Verkauf.

Zwischen all dem Schriftgut entdecken und separieren wir ein Konvolut mit rund 100 Notizblöcken und Briefumschlägen von luxuriösen Hotels aus aller Welt.
Kuala Lumpur, Miami und Singapur sind ebenso darunter wie Moskau, Peking und Chile.
Stammen sie von einer Weltreisenden, die sie in der Kabine eines Kreuzfahrtschiffen vergaß?
Oder von einem Kapitän, der sie in seiner Kajüte zurückließ?
In dem kleinen Konvolut spiegelt sich die Atmosphäre um die Abwrackwerften von Alang und trifft ihren Kern.
Absolut kosmopolitisch ist der innere Brennpunkt Alangs und dabei mit dichtem historischem Flair umgeben.
Millionen alter Dinge aus verschiedenen gesellschaftlichen Systemen und allen Ländern der Erde bilden ein faszinierendes Panorama globalen Lebens vergangener Jahrzehnte.
Inmitten alter Schriftstücke und Akten lagern diese Getreidesäcke. Sie stammen aus Nigeria (Westafrika).
Lebensmittel wurden auch in diesem abgenutzten Pappkarton transportiert bevor er, befüllt mit alten Navigationslisten von einem Abwrackschiff, hierher gelangte.
Er stammt aus Neuseeland und enthielt früher Butter.
Wir setzen unseren Weg fort, passieren einen kleinen Hindu- Tempel.
Es ist einer der wenigen Orte in diesem Labyrinth aus Abwrackbetrieben, Geschäften und Werkstätten, die nicht von Schiffsschrott umgeben sind.
Einige Schritte weiter treten wir einen Werkzeugladen ein. Zunächst macht das Geschäft nicht den Eindruck, Waren zu enthalten, die wir interessant finden.
Aber Ungewöhnliches oder Beeindruckendes findet sich hier in allen Geschäften
Diese Umlenkrollen und Drahtseilblöcke stammen von Schiffskränen und sind sehr belastbar. Sie sind bei großer Hitze ebenso einsetzbar wie bei tiefer Kälte und können viele Tonnen tragen.
Dennoch sind sie nur wenig teurer als der Schrottwert des Metalles, aus dem sie bestehen.
In Europa kosten solche Riesenwerkzeuge mindestens oft einige tausend Euro.
Schöne Schubladenschränke, meist aus Metall, sind in jedem Shop obligatorisch. Sie stammen, wie nahezu alles hier, aus dem Bauch alter Schiffe.
