Teil 3: Einkaufstour zu den Abwrackwerften von Alang (Indien) Fabriklampen, Schubladenschränke, einfach ALLES von alten Schiffen.
Im Umfeld der Abwrackwerften bei Alang treffen wir immer wieder auf mächtige Schubladenschränke aus Holz oder Metall. Auch auf Plot 8 im "Vibrant Industrial Park Bhavnagar" sind solche Möbel zu finden.

Die graugrüne Färbung der Schränke legt nahe, dass sie militärischen Ursprungs sind. Wir wissen, dass hier von Zeit zu Zeit auch Armee-Schiffe, ja sogar Flugzeugträger abgewrackt werden. Daher ist es möglich, dass sie von einem solchen Schiff stammen.

Sie sind so hoch, dass die oberen Schubladen eigentlich nur mit einer Leiter erreichbar sind.
Aus näherer Betrachtung seiner Markungen erschließt sich, die Schubladenschränke sind US- amerikanischen Ursprungs.

Hinter den Riesen aus Metall kommt ein buntes Chaos zum Vorschein.

Zunächst erstrecken sich zwei Reihen alter Möbel, augenscheinlich mit eher traditionellen Eigenheiten.

Viele der Möbel haben einen weltläufigen Charakter, ihre Gestaltung scheint kolonial inspiriert.

Wir staunen: sogar eine kleiner Zug lässt sich hier erwerben.

In der alten Eisenbahn liegt eine antike Reisetruhe aus Metall.

Hinter der Trambahn sind weitere Koffer aus Metall aufgestapelt.
Viele sind detailreich gestaltet und mit ihren dezenten Verzierungen wahre Klassiker alter Reisekultur.

Immer wieder finden sich Spuren aus Deutschland.

Dieses Schiffs- Makrofon der Marke "Zöllner" aus Kiel ist bis in das weit entfernte Hinterland von Alang gelangt.

Dieser antike Schubladenschrank ist ungewöhnlich, aber ob es (zumindest nach ökonomischen Gesichtspunkten) noch sinnvoll ist, ihn zu restaurieren, scheint fraglich.

Die Fülle prächtiger alter Möbel beeindruckt uns.

Auch das hatten wir nicht im Umfeld der Abwrackwerften von Alang erwartet: eine größere Anzahl uriger alter Schulbänke.

Sie sind aus dickem Teakholz und im Grunde noch verwendbar.
Hohen Sitzkomfort bieten sie nicht, aber das schwere, wertige Holz macht sie langlebig und belastbar.

Und schließlich: eine Anzahl alter Schreibtische. Aus ihrer reduzierten Stilistik ergeben sich attraktive, zeitlose Möbelstücke.
Wir verlassen den Lagerplatz mit den alten Möbeln, um das Gebiet weiter zu erkunden, passieren zahlreiche Gewerbehöfe, auf denen Schiffsschrott verarbeitet wird.
Häufig sind Betten (eher Liegen) zu sehen (hier rechts im Bild).
Nachts schlafen darauf Menschen.
Es sind die Arbeiter der Abwrackbetriebe, die hier teilweise buchstäblich neben ihrer Arbeit nächtigen.

Viele von ihnen sind Wanderarbeiter, die aus ärmeren Regionen Indiens in die Gegend von Alang kommen, um hier einen vergleichsweise hohen Lohn zu verdienen.
Laut, schmutzig und schutzlos erscheinen uns diese Schlafplätze.
Wir erfahren, dass es verschiedene Gründe gibt, warum Menschen direkt neben ihrem Arbeitsplatz nächtigen.
Einige nutzen die Ersparnis von Wohnkosten, um einen höheren Betrag Geldes an ihre Familien in die Heimat zu senden.
Anderen dient die Liege als "Zweitbett", sie haben eigentlich einen komfortableren Schlafplatz in einer Sammelunterkunft, wieder Andere sind aus Not gezwungen, an der Straße zu schlafen.
Bei uns entsteht ein widersprüchliches Bild über diesen Umstand, den wir auch durch näheres Fragen nicht richtig verstehen.

Hier im Bild, zwei Steuersitze eines Schiffes.
Wir bekommen erläutert, dass sie als "Pilotensitze" (Marine Pilot Seat) bezeichnet werden und von der Kommandobrücke eines RoRo-Frachters stammen.

Dieser Betrieb hat sich auf den Handel mit Drehbänken spezialisiert, Dutzende sind hier in langen Reihen aufgestellt.
So unterschiedlich wie die Herkunftsorte der Schiffe, die hier demontiert werden, ist auch der Ursprung der Drehbänke.
Sie kommen aus Russland, Korea, Japan, den USA und sogar der ehemaligen DDR.
Auf einigen Geräten entdecken wir Werkstattlampen der Marke "Midgard".

Auf dem Nachbargrundstück sind auch Drehbänke zu sehen, hier jedoch mischen sie sich mit allerlei Motoren und Maschinenteilen.

Auch dieser Schubladenschrank stammt aus der DDR. Ein Blick auf´s Typenschild erklärt: "VEB Gothaer Metallwarenfabrik".

Der Verschrottungshof ist nicht sehr groß und umfasst ein Potpourri von Werkzeugen, Maschinen und Einrichtungsgegenständen weltweiter Herkunft.

Rechter Hand eine Anzahl Fässer, dahinter eine Reihe von Metallspinden. Die Spinde haben kein hohes Alter, stammen vermutlich aus den 90er, oder 00er Jahren.

Linker Hand ein Unterstand mit Kisten, Kupferspulen und reichlich alten Kabelbäumen, im hinteren Bereich wird verschrottet.
Welche Verwendung diese teils riesigen Elektromotoren einst auf Schiffen hatten, ist für uns nicht rekonstruierbar, vermutlich trieben sie Kräne und Großgeräte an.

Wir begeistern uns für diese formschönen Schiffslampen, auch sie sind zur Verschrottung hier.
Die darin enthaltenen quecksilberhaltigen Leuchtmittel wurden im Laufe der Jahre immer mal gewechselt und sind mit Namen großer europäischer Konzerne versehen.
Sie machen deutlich, in Indien wird man noch Jahrzehnte damit befasst sein, die in der EU seit 2015 bei hohen Strafen verbotenen Leuchtmittel irgendwie los zu werden.
Eine weitere Welle von Hinterlassenschaften aus Bemühungen um Effizienz und Umweltschutz in Europa haben einige der Ozeanriesen schon jetzt an Bord.
Hybridschiffe sind im Westen für niedrige Lärmemissionen und geringen Co2- Ausstoß bekannt.
Während in Deutschland noch die Umweltfolgen für die Erzeugerländer der dafür benötigten Rohstoffe (z.B. Lithium-Abbau) diskutiert werden, ist das Beseitigen von Batterie- Großspeichern in Alang bereits Alltag.
Wir setzen unseren Weg fort und betreten den "Bhavnagar VIP Market", eine Ansammlung von Handelsplätzen, in denen brauchbare Dinge aus den Schiffen erwerbbar sind.
Zunächst stöbern wir in den Beständen der "Safvan Traders", Werkzeuge aller Art werden hier bereitgehalten.

Unsere Aufmerksamkeit erregt ein Regal mit alten Holzkisten.
Sie enthalten Beschriftungen aus vielen verschiedenen Ländern.

Augenscheinlich sind sie nach Größen sortiert.

Wir öffnen einige Kisten, diese ist mit "Bearing Feeler Gauges" gemarkt. Darin lagern Entfernungsmesser, sie dienen zur Orientierung auf Seekarten.

Eine weitere Kiste, sie kommt aus Russland, enthält einen nautischen Globus.

Daneben eine Kiste aus England, auch darin werden nautische Instrumente verwahrt.

Dieses Gerät hat intensive Nutzungsspuren und macht einen weitgereisten Eindruck.

Rasch wird klar, viele dieser Kisten enthalten Dinge, die im Westen als wertige Antiquitäten gelten. Natürlich ist der Preis dieser Gegenstände ein zentraler Faktor, wenn wir sie erwerben möchten.
Dabei ist es zielführend zu verstehen, vor welchem Hintergrund wir hier als Einkäufer wahrgenommen werden.
Dass „der Westen“ seinen giftigen Müll an den Strand Alangs kippt, und deren gefährliche Entsorgung Indien überlässt, wird hier oft als Affront betrachtet.
Dass der gleiche "Westen" anschließend Journalisten schickt, so die Wahrnehmung hier, um hiesige Arbeitsbedingungen in Presseberichten anzuklagen, gilt als bizarr und widersprüchlich.
So ist es keine gute Idee, den Preis der Kästen zu erfragen, um ihn durch Feilschen ins Bodenlose zu drücken. Dieser Versuch könnte Empörung auslösen.
Schnell käme die Meinung auf, wir wären dekadente Abenteurer, die sich an den hier entsorgten Dingen bereichern wollen.
Natürlich muss der Preis einer Ware diskutiert werden, darauf in Indien zu verzichten, wäre nicht vernünftig.
Es ist besser, den Eigner des Shops freundlich zu begrüßen und einige Worte in der Landesprache an ihn zu richten. Das öffnet Türen und gibt die Möglichkeit einander kennen zu lernen.
Wertschätzung gegenüber den Menschen und ihrer Waren sind eine gute Basis, um für alle Seiten zufriedenstellende Geschäfte zu tätigen.

Begleiten Sie uns gern weiter in "Teil 4, Einkaufstour zu den Abwrackwerften von Alang (Indien)" über folgenden Link: