In Calcutta (Indien) besuchen wir die dortige Jüdische Mädchenschule.
Möbel aus Recyclingholz, eine kleine Rückschau und große Perspektive.
In diesem Blogbeitrag wollen wir der Geschichte des Upcycling im Zusammenhang mit Möbeln nachspüren.
Häufig stammen diese Möbelstücke aus Südostasien. Dies ist kein Zufall, denn dort gibt es eine lange Tradition der Wiederverwendung alter Materialien, insbesondere Baustoffen.
Wenn wir diese Möbel betrachten, wirken sie modern und zeitgemäß. Verknüpft mit den Begriffen „Upcycling“ und „Recycling“ entsteht der Eindruck, sie wären das Ergebnis neuer ökologischer Ideen und fortschrittlicher Bemühungen um Umweltschutz.
Sie sind jedoch keine Errungenschaft der westlichen Welt, auch nicht das Ergebnis kolonialer Einflüsse, entstanden nicht durch die Anregung westlicher Möbelproduzenten oder namhafter Designer. Das Gegenteil ist der Fall. Altholzmöbel haben eine jahrhundertelange Tradition in Asien und sind trotz Kolonisierung und westlich oktroyierter Vorstellungen erhalten geblieben.
Wiederverwertung funktioniert in Südostasien weitgehend kleinteilig, ohne übergeordnete Organisation oder Gesetze, einfach dadurch, dass Menschen gebrauchte Dinge in ihrer unmittelbaren Umgebung aufgreifen und wiederverwenden.
Obwohl wir eine gigantische Recyclingindustrie haben, werden viele Materialien unzureichend wiederverwendet. Gerade der espritloser Umgang mit Altholz ist ein klassisches Beispiel. Es wird in den besten Fällen zu Papier oder Pressholz verarbeitet, vielfach jedoch einfach verbrannt. Dies alles geschieht unter dem Gesetz der "Kreislaufwirtschaft", welches sich bei kurzer Betrachtung als Einbahnstraße erweist.
Anders hingegen wird Altholz in weiten Teilen Südostasiens behandelt, denn dort wird vieles wiederverwendet.
Hölzerne Hausfassaden, alte Balken, Boote, Möbel, Türen und Fenster werden mit Bedacht untersucht,, demontiert, geordnet und anschließend ganz individuell neu verarbeitet. Dies geschieht lokal, in Familienbetrieben und kleinen Werkstätten.
Viele der in der westlichen Welt feilgebotenen Altholzmöbel entstehen nach wie vor auf dieser Grundlage.
Trotz der Tatsache, dass sie über tausende Kilometer per Schiff nach Mitteleuropa gelangen, sind sie umweltfreundlicher, langlebiger und sogar ökonomischer als zum Beispiel die westliche Erfindung der Pressholzplatte.
Neue Altholzmöbel sind zudem mit der Perspektive verbunden, nach einigen Jahrzehnten der Nutzung wieder restauriert und nochmals über einen langen Zeitraum hinweg weiterverwendet zu werden.
Als Beispiel führe ich den Werdegang eines alten asiatischen Schreibtisches an:
Der Schreibtisch ist cirka 80 Jahre alt.
Wir können jedoch davon ausgehen, dass das Holz auch wärend seiner früheren Verwendung für einige Jahrzehnte eingesetzt war, denn Teakholz gehört zu den besten Rohstoffen Indiens und so wird es, wenn es einmal verbaut ist, lange genutzt.
Nehmen wir an, es war Teil einer hölzernen Hausfassade, also eher starker Beanspruchung (Wechsel aus Monsun und intensiver Sonne) ausgesetzt, so war es doch wenigstens 50 Jahre in Gebrauch.
Daraus ergibt sich, dass das Holz des Schreibtisches unter konservativ gewichteten Gesichtpunkten cirka 130 Jahre alt ist.
Setzen wir nun voraus, dass er in seinem jetzigen Zustand (etwas aufbereitet) nochmals 20 Jahre im Einsatz ist, so können wir einen Gesamtnutzungszeitraum von cirka 150 Jahren errechnen.
Vergleichen wir dies mit der durchschnittlichen Nutzungsdauer einer mitteldeutschen Pressholzplatte (10 Jahre) wird deutlich, welche Vorteile eine umsichtige Handhabung von Holz hat.
Natürlich ist der Schreibtisch nach 150 Jahren weiter nutzbar, alternativ könnte man ihn auch in seine Bestandteile zerlegen und das Holz selbst in anderen Bauwerken weiterverwenden.
Eine Weiterverwendung alten Holzes ließe sich am besten durch ein grundsätzliches Umdenken bei westlichen Recyclingkonzepten erreichen. Denn diese haben zahlreiche Nachteile.
Die Entwicklungen der vergangenen Jahre haben zu großen Firmenkomplexen und Industrieanlagen mit dem Zwecke des "Recycling" geführt. Immer neue Gesetze, Regelungen, staatliche Eingriffe und Verbote steuern diese Tendenz.
Parallel dazu ist die durchschnittliche Nutzungsdauer von Holzprodukten immer weiter abgesunken und wird sich in den nächsten Jahren nochmals verkürzen.
Viel besser wäre es, Kreativität und individuellen Entwicklungen mehr Raum zu geben und gebrauchte Dinge endlich wirklich als "Rohstoff" wahrzunehmen.
Der EU- weit staatlich forcierte Weg, alte Dinge grundsätzlich als "Schadstoffe" zu klassifizieren, die "fachgerecht entsorgt" werden müssen und in gesetzliche Formen zu gießen, welche zudem große Konzerne bei der Erlangung diesbezüglicher Aufträge begünstigt, wird mittel- und langfristig nicht dazu führen, dass alte Gegenstände länger genutzt, oder wiederverwendet werden.
Dieser antike Schreibtisch und zahlreiche neue Altholzmöbel, inzwischen auch aus Deutschland selbst, werben für den klassischen, südostasischen Weg.
Zunächst nehmen wir Recyclingmöbel als kurzlebige Modeprodukte wahr, die wir für einige Jahre nutzen und dann als Sperrmüll entsorgen.
Doch wenn wir ihre Tradition berücksichtigen und längere Zeiträume in den Blick nehmen, ergibt sich aus ihrer Geschichte eine nutzbringende Perspektive.
Wir können dies als Inspiration nutzen, alte und gebrauchte Dinge davor bewahren, im Schlund einer erbarmungslosen Recyclingindustrie zu landen, als Müll in ferne Länder exportiert, durch Plastik ersetzt, unter Zugabe eines giftigen Chemiecocktails zu "ökologischen" Einkaufsbeuteln aus Papier verarbeitet oder in heimischen Müllanlagen verbrannt zu werden.