Kalkutta, City of Joy - Stadtbilder, Architektur und Lebensart, sechster Teil
Wir sind in Kalkutta und erkunden die Gegend rund um die Stadtviertel Hanti Bagan, Beniatola sowie Sonagachi, und sind nahe des Flusses Ganges (Hugli) unterwegs.
Dichtes Marktgeschehen prägt die Gegend auf vielen Straßen.
Supermärkte gibt es kaum.
Trotz anfänglicher Erfolge ist es westlichen Handelsriesen nicht gelungen, in Kalkutta Fuß zu fassen. Der Bedarf an Lebensmitteln ist groß, doch der Boom findet ohne ihre Beteiligung statt. Jüngst war der Metro- Konzern gezwungen, sich ganz aus Indien zurückzuziehen.
Gesetze schützen die Kleinsthändler und westliche Konzerne beklagen mangelnde Liberalisierung. Indische Politiker werben mit der Formel "Vielfalt und fairer Handel, statt freier Handel" für eine Fortsetzung ihres Weges.
Auch indische Supermarkt- Ketten können sich nur mit sehr weitgehenden Rabatten Marktanteile sichern.
Sie haben daher die Strategie entwickelt, als Zwischenhändler die Marktstand- Inhaber selbst als Kunden zu gewinnen, um so trotzdem die Endkunden zu bedienen.
Die Politik versucht diese Machtausweitung zu begrenzen. Man weiß um die Abhängigkeit der Nahrungsmittelversorgung in westlichen Ländern von Supermarkt- Giganten.
Konflikte verschiedener Interessengruppen werden in Indien oft mit Hilfe des Staates ausgetragen. Dies hat dazu beigetragen, dass sich eine absurde Bürokratie entwickelt hat.
Sie gilt als eine der größten Herausforderungen in der Stadt und ist häufig Gegenstand medialer Betrachtung.
Die große Mehrheit der Bevölkerung kauft an Marktständen ein. Die Verbraucher sind dabei sehr kritisch. Obst und Gemüse wird vor Kauf sorgfältig ausgewählt.
Damit einher gehen harte Verhandlungen über den Preis. Mängel an Frische oder Qualität führen zu Abschlägen.
Meist sind die Waren geschmackvoll arrangiert, vieles wird fortlaufend mit Wasser benetzt, um den Eindruck von Frische zu verstärken.
Verbreitet ist auch der Brauch, Lebensmittel unmittelbar vor ihrer Zubereitung zu erwerben.
Wer kochen möchte, geht kurz vorher zu den Marktständen, um die Nahrungsmittel dafür zu erwerben.
Geflügel wird oft lebend angeboten, weil es kaum Möglichkeiten zur Kühlung gibt.
Dass die Tiere in großen Körben aus Bast feilgeboten werden, die mit Netzen abgedeckt sind, wird oft kritisch reflektiert.
Die Bedingungen unter denen die Tiere ihre letzten Stunden verbringen, sind immer wieder Gegenstand öffentlicher Diskussionen.
Auch Gebrauchsgüter wie etwa Haushaltswaren sind an Marktständen verfügbar.
Viele dieser Stände sind längerfristige Institutionen.
Ist sein Inhaber nicht am Arbeitsplatz, wird dies durch ein Schild kenntlich gemacht. "Gebetszeit" informiert der hier abgebildete Hinweis.
Alternativ dazu werden Waren mit Planen abgedeckt.
Auch abends werden die Produkte überdeckt, und die Eigner der Stände gehen nach Hause.
Vorher wird etwas Strick um die Abdeckplanen gespannt, um zu verhindern, dass Wind die Ware fortträgt. Diebstähle kommen vermutlich eher selten vor, sonst wäre diese Sitte nicht weit verbreitet.
Großflächige Holzgestelle, bespannt mit Textilien sind nahezu ganzjährig überall in Kalkutta zu sehen.
Dieses hier ist in den Farben der Regierung Kalkuttas (blau, weiß) gestaltet.
Es fand eine der zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen statt.
Das Dach diente dem Sonnenschutz und war unerlässlich.
Ereignisse, bei denen Menschen zusammenkommen, können in Kalkutta sehr ausufern.
Es werden Reden gehalten, Anwesende verköstigt und Musik spielt.
Ehrenbekundungen für besondere Gäste und der intensive Austausch von Höflichkeiten unter den Anwesenden sind die Regel.
Einige Meter weiter laufen Vorbereitungen für ein kommendes Fest.
Stoffe werden vernäht, auf Gestelle aus Holz gespannt und große Säulen mit kunstvollen Farbaufträgen versehen.
Dass diese Arbeiten auf der Straße stattfinden, ist dem Mangel an Platz geschuldet.
Größere Hallen oder eingefriedete Flächen, die dafür geeignet sind, liegen oft weit entfernt.
Nach ihrer Fertigstellung werden die Konstrukte nahe ihrem Entstehungsort zusammengefügt, um hallenartige Gebilde oder Durchgänge zu errichten.
Die damit verbundenen Verkehrsbehinderungen, vor allem für Rettungskräfte, werden offenbar akzeptiert.
Der Sonnabend ist in Kalkutta ein normaler Arbeitstag.
Doch wegen der hohen religiösen und kulturellen Vielfalt gibt es nahezu wöchentlich arbeitsfreie Feiertage.
Die Anlässe dafür sind äußerst verschieden.
Christen feiern ebenso ausgiebig wie Hindus, buddhistische Konfessionen und Moslems, oft sogar gemeinsam.
Auch Weltliches, etwa der Unabhängigkeitstag oder Gandhis Geburtstag, wird festlich begangen.
Der Verzehr von Bier, Wein oder Schnaps spielt dabei kaum eine Rolle, der öffentliche Konsum von Alkohol ist unüblich.

Doch auch lokale Anlässe werden umfangreich zelebriert.
Schon der Geburtstag der Person, nachdem eine Straße benannt ist, kann Grund zur Beschmückung sein.
Anschließend kommen große Nachbarschaften zusammen.
Oft werden Nachfahren des Menschen empfangen, nachdem die Straße benannt ist, oder lokale Abgeordnete reisen an. Ehrengäste sind integraler Bestandteil solcher Feiern.
Auch weit geringere Anlässe führen zu Gesellschaften.
Hier wird das Gründungsjahr eines Ladens für Schmuckwaren gefeiert.
Der Inhaber hat ein Karussell aufbauen lassen.
Kinder sind eingeladen, sich in dem kleinen Gestell mit Sitz- Pritschen aus Holz im Kreis herumwirbeln zu lassen, der Andrang ist groß.
Die Lebensgewohnheiten indischen Nachwuchses unterscheiden sich von denen abendländischer Kinder.
Viele Eltern wissen um die Fixiertheit westlicher Jugend auf Computerspiele und vermeiden den Kontakt ihrer Kinder zu Unterhaltungselektronik entschlossen und konsequent.
PC- Spiele und Spielkonsolen sind weniger typisch als in Deutschland.
Unter Kindern und Grundschülern ist der Umgang mit Smartphone und Tablet seltener.
Teenager verfügen eher über Handys, sind aber in den Nutzungsmöglichkeiten oft eingeschränkt.
Die Tendenz Erziehungsberechtigter, die Verwendung von Handys zu kontrollieren und zu beschränken, ist größer.
Das Bestehen eines von Minderjährigen geprägten Influenzer- Milieus, dem weite Teile der Jugend in der Form folgen wie in Deutschland, ist kaum zu beobachten.
Dass Jugendliche etwa so genannte "Let´s Plays" konsumieren, deren Inhalt den Gebrauch von Waffen simuliert, ist nicht üblich.
Mit weniger Anspannung wird zur Kenntnis genommen, wenn Kinder unbeaufsichtigt spielen und die Nachbarschaft erkunden.
In diesen Bereichen haben sie oft mehr Freiheiten, als der Nachwuchs in westlichen Ländern.
Dass beim Ballspielen Glas zu Bruch geht und wilde Spiele ebenso häufig vorkommen wie Raufereien, wird geduldet.
Über den folgenden Link gelangen Sie zum siebten Teil dieses Blogs über Kalkutta: